Die Orgel ist das Instrument für Kirchenmusik. Weltweit erklingt die Orgel in den christlichen Gottesdiensten. Ihre Musik eröffnet und beendet den Gottesdienst, so wie wir das heutzutage kennen. War das schon immer so? Und wie funktioniert sie überhaupt?
Wie funktioniert die Orgel eigentlich?
Auch wenn sie einem Klavier viel ähnlicher ist als einer Flöte: Die Orgel ist ein Blasinstrument. Sie besteht aus unterschiedlich vielen kleinen und großen Pfeifen. Ein Gebläse pustet Luft in sie hinein und bringt sie zum Klingen. Die Melodie spielt der Organist. Dazu zieht er verschiedene Register, greift wie ein Pianist in die Tasten und bedient mit den Füßen auch die diversen Pedale. Das ist ziemlich kompliziert und faszinierend zugleich. Orgelspielen verlangt dem Musiker hohe Konzentration, gute Koordination sowie musikalische Hingabe ab. Wer dieses Instrument erlernen möchte, braucht Geduld für den Unterricht und den Mut sowie die Möglichkeit in der Kirche zu Üben. Denn nur dort hat eine Orgel Platz. Viele dieser Instrumente haben Pfeifen, die über mehrere Stockwerke reichen. Aber auch kleinere Orgeln bringen die Luft in der Kirche so zum Schwingen, dass man die Musik sogar spüren kann.
Wie kam die Orgel in die Kirche?
Die Kirche kam eher unfreiwillig zur Orgel. Und das kam so: Die Orgel wurde von einem Techniker namens Ktesibios im 3. Jahrhundert v. Chr. in Alexandrien (Ägypten) erfunden. Er baute bereits mehrere Pfeifenreihen, die unterschiedliche Klangfarben erzeugen konnten. Der notwendige Luftdruck wurde durch fußbetriebene Kolbenpumpen erzeugt.
Ihre erste Blütezeit erlebte die Orgel im 1. Jh. v. Chr. in Griechenland, wo bereits öffentliche Orgelwettbewerbe mit Siegerehrungen stattfanden. Ausgerechnet der römische Kaiser und Christenverfolger Nero führte 67 n. Chr. die Orgel, die er von seinen griechischen Lehrern kannte, in Rom ein. Sie wurde bald zum Statusobjekt der Oberschicht.Mit Kaiser Konstantin gelangte die Orgel auch ins oströmische Reich (Byzanz). Während das römische Westreich unterging und mit ihm die Orgel in Europa, hielt sich die Orgel bis zur Eroberung des Ostreichs 1453 als Statusobjekt am kaiserlichen Hof (es gab dort sogar Orgeln mit goldenen Pfeifen,
die mit Edelsteinen besetzt waren). Die Orgel war also 1000 Jahre lang das obligate Instrument der Kaiserverehrung. Im Abendland tauchte die Orgel erst im Jahre 757 n. Chr. wieder auf, als König Pippin der Kleine vom byzantinischen Kaiser Konstantin V. eine Orgel geschenkt bekam. 100 Jahre später wurde die erste europäische Orgel in Aachen gebaut.
Die Kirchenväter und Päpste lehnten Instrumente im Gottesdienst generell ab. Dies galt speziell für die Orgel, die ja der Inbegriff der Weltlichkeit war und »den sinnlich aufreizenden Aulos-Klang (altes Blasinstrument mit Doppelrohrblatt) nachahmte«. Nach der Jahrtausendwende tauchten dennoch die ersten Orgeln in Klöstern auf, ab dem 13. Jh. vermehrt auch in Kirchen. Weit weg von Rom schlich sich die Orgel durch ihre besondere Eignung für den Musikunterricht langsam aber sicher in die Kirchen ein.De facto besaßen im 14. Jahrhundert die meisten großen Stadtkirchen eine Orgel. Nachdem das Konzil vom Mailand 1287 die Orgel »als einziges Gottesdienstinstrument zugelassen« hatte, beschloss 1290 das Generalkapitel zu Ferrara, »das Orgelspiel während des Gottesdienstes zu verbieten«.
Das 14. bis 16. Jahrhundert brachte im Orgelbau viele Neuerungen, u.a. das Pedal. Mitten in diese Blütezeit der Orgel kam durch die Reformation eine neue Krise: Während Martin Luther sich für die Verwendung der Orgel aussprach, wurde sie von Calvin und Zwingli rigoros abgelehnt. Viele Orgeln wurden abgerissen oder mussten während des Gottesdienstes geschlossen bleiben.
Insgesamt wurde die Orgel nicht zuletzt durch große Komponisten wie Bach in den letzten Jahrhunderten zum Hauptbegleitinstrument für den Gottesdienst. In den christlichen Ostkirchen wurden übrigens noch nie Orgeln im Gottesdienst eingesetzt. Somit ist die Orgel also nicht ganz selbstverständlich das christliche Musikinstrument, auch wenn sie in unserem Kulturkreis in den letzten Jahrhunderten dazu geworden ist.
Nina Heuer