Rotenburger Beraterinnen rechnen mit einer Zunahme an sexualisierter Gewalt über die Feiertag
Der Verein Wildwasser, der sich in Rotenburg in Trägerschaft des Diakonischen Werks befindet, unterstützt Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. „Sexualisierte Gewalt kann viele Formen annehmen, von Sprüchen auf der Arbeit bis hin zu Vergewaltigung. Die psychischen und emotionalen Folgen für die Betroffenen sind dabei ebenso vielfältig“, sagt Gritt Ladwig, eine von drei Beraterinnen bei Wildwasser in Rotenburg. Sie weiß aus ihrer Arbeit mit Betroffenen, dass die Täter häufig aus dem sozialen Nahbereich stammen. „Damit sind sowohl Personen aus dem familiären Umfeld, als auch aus dem weiteren Bekanntenkreis wie zum Beispiel aus der Nachbarschaft oder dem Sportverein gemeint.“
Die Mitarbeiterinnen von Wildwasser unterstützen konfessionsübergreifend alle Betroffenen oder Angehörigen durch Krisenintervention und Beratung. Die Gespräche finden wegen Corona jetzt häufiger telefonisch statt. Sie können aber auch per Video über ein datenschutzrechtlich abgesichertes Portal erfolgen. Nach wie vor besteht auch die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch in den Räumen von Wildwasser in Rotenburg. „Natürlich mit Abstand, Lüften und Maske“, sagt Ladwig. „Die Corona-Krise macht kreativ, für einige Klienten haben sich Spaziergänge bewährt und die frische Luft tut allen gut“, beschreibt die Psychologin und betont, dass nichts von dem Gesagten nach außen dringt, denn alle Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht.
Ein zweiter, ebenfalls sehr wichtiger Aufgabenbereich von Wildwasser ist die Beratung und Fortbildung von Fachkräften aus Kitas und Schulen. „Hier zeigt sich aktuell vermehrt eine Verunsicherung durch die jüngst in den Medien bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder“, erklärt Angela Hesse. Je mehr über das Thema sexualisierte Gewalt aufgeklärt wird, desto handlungsfähiger und selbstbewusster werden auch die Fachkräfte in Kitas und Schulen. Mittels Schutzkonzepten kann das Risiko eines Übergriffes gemindert und es den Betroffenen erleichtert werden, sich Hilfe zu holen. Ob aber nun für Fachkräfte oder Angehörige, es gilt stets: „Wildwasser kann helfen. Auch Personen, die einen Verdacht haben, sich aber nicht sicher sind, können sich bei uns melden und beraten werden.“
Direkt Betroffenen fällt es oft sehr schwer, sich Hilfe zu holen und den Weg zur Beratungsstelle zu gehen. Aallerdings ist es in den meisten Fällen der erste Schritt zur Verarbeitung des Erlebten und eine große Entlastung. „Wir erwarten verstärkt Anrufe ab dem 10. Januar“, sagt Hesse. Die Erfahrung der Diplom-Sozialpädagogin ist, dass die Betroffenen sich häufig erst trauten, wenn die Familie nicht mehr so eng aufeinander hockt und Personen – seien es Freunde, Erzieher oder Lehrer – außerhalb der Familie wieder erreichbar sind. Das hatte auch der erste Lockdown im Frühjahr gezeigt. Damals rief plötzlich niemand mehr an. Obwohl das Team ein zusätzliches Diensthandy aktiviert hatte, um die Erreichbarkeit zu optimieren, blieben Anrufe eher eine Seltenheit. Mit etwas Verzögerung nach Ende des Lockdowns klingelte dann das Telefon wieder und wieder.
Wildwasser in Rotenburg ist zu erreichen unter Telefon 04261-25 25. Es läuft meist ein Anrufbeantworter. Die Beraterinnen bitten darum, Namen und Telefonnummer zu hinterlassen und rufen dann zeitnah mit unterdrückter Nummer zurück. Zwischen Weihnachten und Neujahr ist das Büro nicht besetzt. In dieser Zeit übernimmt das bundesweite Hilfetelefon 0800-22 55 530 alle Anfragen.